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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 60 —
Floßplatz zurückgebliebenen Männer ungefähr 18 000 Stämme. „Wenn
unfern Kameraden nur kein Unfall zustößt!" wünschen die Braven. „Die
Stromschnellen und Wasserstürze drohen ihnen mit gar mancherlei schweren
Gefahren. Bleiben die Stämme zusammen, wenn die Fahrt einen Wasser-
fall hinabgeht, dann ist alles gut; reißeu sie aber von einander los, dann
wehe den armen Flößern! Sie gehen elend in der wilden Flnt unter!"
Gute Fahrt wünschen auch wir den wackeren, mutigen Männern, die ihr
Brot mit saurem Schweiß und unter mancherlei Gefahren verdienen.
Indem wir unsere Fahrt von Ottawa aus mit der Eisenbahn fort-
setzen, gelangen wir in die überaus unwirtlichen Landschaften an den
Nordgestaden des Hnron- und Oberen Sees, der beiden größten
unter den 5 canadischen Seen. Hier wird es uns klar, mit welchen fast
unüberwindlich erscheinenden Hindernissen die Ingenieure beim Bau der
Bahn zu kämpfen hatten. Die ganze Bahnlinie ist eine ununterbrochene
Reihenfolge vou Einschnitten und Viadukteu, vou Tunnels und Brücken;
es erscheint uns fast unglaublich, daß man sie aus dem harten Basalt-
und Granitgestein herauszusprengen vermochte.
„Geld genug hat es gekostet," versichert uns ein mitfahrender Be-
amter. „Die Gesellschaft, die unsere Pacifiebahn baute, hat mehr als
2 Millionen Dollars für Dynamit und andere Sprengstoffe ausgegeben.
Aber die Riesensummen, die Canada für Erbauung dieser Bahn ausge-
wendet hat, sind nicht verschleudert. Von Tag zu Tag erkeuuen wir
mehr, daß der Bau eine Notwendigkeit war und daß er sich in abseh-
barer Zeit reichlich lohnen wird. Die Linie ist 4676 Kilometer lang
und jetzt der kürzeste Landweg zwischen Europa und Ostasien, sowie
Nordaustralien. Die Entfernung zwischen England und Westeuropa uach
den großen Hafenplätzen in Ostasien, in China und Japan bis hinab
nach Hongkong und Nordaustralien ist unter Benutzung unserer Bahn
viel geringer, als die Wasserstraße durch deu Suezkaual. Schou jetzt
besteht eiue regelmäßige 14tägige Postverbindung zwischen England und
Ostasien auf diesem Wege. Briefe, besonders wertvolle Güter, wie z. B.
der japanische Thee, werden jetzt schon auf unserer Route versendet, und
auch die Reisenden benutzen sie gern, namentlich im heißen Sommer, weil
die Seefahrt durch kühlere Meeresteile führt. Die Pacifiebahn ist aber
auch zum Träger der Kultur geworden; unaufhaltsam, sprungweise dringt
die Gesittung an der Strecke vor, wie Sie auf unserer bisherigen Fahrt
schon sahen und wie Sie es weiter im Westen noch ausfallender sehen
werden. Städte sind in der Öde aus der Erde hergezaubert worden, in
wenigen Jahren um die Stationen her entstanden. Um die Städte her
aber sitzen auf dem fruchtbarsten Ackerboden der Welt die Ansiedler, den
Schoß der Erde mit ihrem Fleiß erschließend und uns den Ausblick iu
eine nicht allzuferne, glänzende Zukunft eröffnend."
Weiter und weiter saust der Zug nach Westen, wir dringen in die
Provinz Manitoba ein und gelangen zunächst in die prächtigen Wald-
landschasten am Regenslnsse, dann bei Winipeg in die endlosen
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T76: [Staat See Nordamerika Stadt Union Mississippi Washington Ohio Gebiet vereinigt], T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer]]
Extrahierte Ortsnamen: Ottawa Europa Ostasien Nordaustralien England Westeuropa Ostasien China Japan Hongkong Nordaustralien England Ostasien Winipeg
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gleichmütig bis auf bessere Zeiten; so lange aber noch Lebensmittel vor-
Händen sind, ißt man beständig.
Der Frühling kommt endlich; da leidet es den halbblütigen Trapper
nicht mehr im Dorfe, das Jndianerblnt treibt ihn in die weiten Wälder
hinaus. Dort wird er sozusagen ein Wilder, der im Wigwam haust und
ausschließlich von Jagd und Fischerei lebt. Ab und zu verhandelt er
wohl auch etwas Waren an Indianer, aber das ist doch Nebensache in
seinem Dasein. Unermüdlich streift er nach Wild, stellt er den geschuppten
Wasserbewohnern nach; im leichten Canoe ans Birkenrinde schwimmt er auf
Flüssen und Seen, geht er die Wasserfälle hinauf und herab wie ein
Lachs, von dem reinen Indianer in solcher erstaunlichen Kunst nicht
übertroffen.
Jetzt, in der gnten Jahreszeit, lernen wir auch die Voyageurs
(wörtlich: Reisende) kennen, Leute im Dienste der Hudsousbay-Companp,
die ihrem Berufe in den unwirtlichen Gegenden nur in diesem freundlicheren
Abschnitte des Jahres nachgehen können. Ihnen ist die Aufgabe zu-
gewiesen, neue Haudelsstationen zu gründen, Tauschhandel mit den Wilden
zu treiben, die erhandelten Felle an die großen Magazine abzuliefern,
die weit entlegenen Forts mit Nahrungsmitteln zu versehen. Es ist nicht
leicht, diesen Leuten auf ihren Wanderuugen zu folgen, denn sie mnten
sich erstaunliche Dinge zu. Der Trupp, deu wir begleiten wollen, besteht
zum kleineren Teil aus Indianern, zum größeren aus halbblütigen Leuteu.
Sie alle find mit klugem Bedacht ausgewählt und angeworben, erprobte,
treue, zuverlässige Männer, gleich tüchtig in Führung der Boote wie im
Gebrauche der Büchse; so versichert uns der englische Befehlshaber der
Brigade, wie man eine Anzahl zusammengehöriger Bootsmannschaften nennt.
Die ganze Reise wird auf dem Wasserwege unternommen; die Fahrzeuge
sind ungemein leicht gebaut, jedes von ihnen ist mit 8 Männern besetzt,
von denen einer das Steuer führt, während die übrigen rudern. Er-
stannlich ist die Ausdauer und Geschicklichkeit, ist der Mut dieser Wage-
Hälse. Ein Wasserfall hemmt das Vorwärtsdringen; jetzt kommt ein
besonders schwieriges Stück Arbeit. Die Reisenden steigen am User aus
und tragen die Boote mit ihrer ansehnlichen Last um das Hemmnis herum,
das Fahrzeug dann wieder ins sreie Fahrwasser lassend. Sie wenden
dabei eine höchst eigentümliche Art, Lasten zu tragen, an, die auch bei
den Indianern Mexikos üblich ist. Um die Stirne wird ein breiter Leder-
streifen gelegt; an jedes der beiden über die Schultern fallenden Enden
derselben befestigt man eine Bürde von 1 Ztr. Gewicht und legt nun die
Riemenenden (ähnlich wie sich kreuzende Hosenträger) übereinander. So
belastet trabt der Voyagenr Anhöhen empor und wieder hinab, über
schlüpfrige Flächen und glatte Felsblöcke, durch dichtes Gestrüpp und tiefe
Wälder bis zum Einschiffungsplatze. Ähnliche Anstrengungen hat er zu
ertragen, wenn es gilt, über Land aus einem Stromspstem ins andere
zu gelangen. Die Überwindung solcher „Tragplätze" ist die schwerste
Ausgabe der Reisenden, denen es anch nicht an mancherlei Gefahren auf
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T185: [Jagd Viehzucht Bewohner Ackerbau Jäger Fischfang Wald Fischerei Krieg Land], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
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Hindernis zurückschreckenden Jankees erhöhten ihn und bauten dann dar-
auf; das Bett des Chicagostusses ward gleichzeitig vertieft und aus solche
Art ein trefflicher Hafen gewonnen. Da gutes Trinkwasser fehlte, wurde ein
Schacht, dann von diesem aus ein Stollen eine Stunde weit unter dem
Seegrund hin gegraben; am Ende dieses Ganges ward ein Wasser- und
Leuchtturm gebaut. Von dort aus leitete man das klare Wasser des
Sees in die Stadt; hier wird es in die riesigen Wasserbehälter geführt.
Obwohl diese Wasserkunst im Tage fast 80 000 000 Liter Wasser lie-
ferte, baute man doch noch einen zweiten Tunnel in den See, denn die
.Parkanlagen sollten der Springbrunnen nicht entbehren. Überdies sind
an den Grenzen der Stadt noch tiese artesische Brunnen gegraben worden,
die in einem Tage 1 000 000 Liter ganz vorzügliches Wasser geben.
Unter dem Bett des Chicago führen zwei Tuunel hinweg, die allzugroße
Hemmung des Verkehrs durch die ein- und ausladenden Schiffe verhin-
dern sollen. Kostspielige Hafenbauten sind ausgeführt, der Michigansee
ist dnrch einen großen Kanal mit dem Mississippi verbunden worden. Die
regsame Stadt ist zugleich für die vier übrigen Riesenseen an der Grenze
zwischen den Vereinigten Staaten und Canada Haupthaseu; mittelst jener
Wasserbecken besteht direkte Verbindung mit dem Lorenzstrom; mittelst
des Erie-Kanals mit New-Dork. Die Niagara-Fälle sind durch den
breiten und tiefen Cleveland-Kanal nmgangen; große Seeschiffe können
sonach bis Chicago hinauf gelangen. Erstaunlich ist die rastlose, nmsich-
tige, ausdauernde Regsamkeit der Bevölkerung, die nicht allein einen groß-
artigen Handel mit Natnrerzeugnissen, namentlich mit Getreide, sondern
auch sehr ansehnlichen Einsnhrhandel mit Manufakturwaren treibt und
überdies bereits felbst eine sehr mannigfaltige Industrie besitzt. Die Vor-
städte wimmeln geradezu von Eisenwerken, Dampfmaschinen-Bauanstalten,
Fabriken zur Herstellung von Ackergeräten, von Leder, Hüten, Zucker,
Tabakwaren; überall sieht man dort ungeheure Mahlmühlen, Brauereien,
Brennereien, Schlacht- und Fleischversenduugshäuser. Cincinnati, die be-
kannte „Schweinestadt", ist im Handel mit Schweinefleisch längst von
Chicago übertroffen, denn schon im Jahre 1878 betrug die Zahl der hier
geschlachteten Rüsseltiere 4 593 000. Im gleichen Jahre verschickte die
Stadt für 49 512 412 Dollars Speck, für 6 296 414 Dollars Pökel-
fleisch und für 25 552 665 Dollars Schmalz. Das großartigste Geschäft
bleibt aber der Handel mit Getreide, das hier in Ungeheuern Speichern
aufgesammelt wird. Mancher Iankee versteigt sich in seiner Speknlations-
lust beim Getreideein- und -verkauf so, daß er vom reicheu Manne Plötz-
lich zum armen wird und wieder von ganz vorn ansangen mnß. Jeden-
falls muß aber zugestanden werden, daß sich die Bewohner Chicagos
dnrch große Unternehmungslust auszeichnen und damit schon viel erreicht
haben.
Wir sind jetzt bereits in das Gebiet der Ungeheuern Wiesenland-
schaften gelangt, die mit dem Namen Prairieen oder Savannen be-
zeichnet werden. Einst von Riesenherden zottiger Büffel, von Rudeln
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T62: [Insel Stadt Hafen England Hauptstadt Einw. See London Handel Schottland], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T76: [Staat See Nordamerika Stadt Union Mississippi Washington Ohio Gebiet vereinigt], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
Extrahierte Ortsnamen: Chicago Chicago Cincinnati Chicago
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— 155 —
aus dem Westen verhält sich seinen vielverheißenden Auseinandersetzungen
gegenüber äußerst kühl. Und jetzt gesellt sich ein feingekleideter Herr
zu uns, beteuernd, er müsse uns schon irgendwo gesehen haben, könne
sich aber durchaus nicht besinnen, wo das gewesen sei. Bei eiuem Glase
lasse sich aber die alte Bekanntschast leicht erneuern. Jetzt fällt uns die
Warnung des wohlmeinenden Landsmannes ein, uns in keiner Weise mit
Unbekannten einzulassen, selbst im Gespräche nicht. Gar mancher der
Herren, die sich so freundlich an den Fremdling herandrängen, sei ein
schlechter Kerl, ein Schlepper, der uns an irgend einen verrufenen Ort
zu locken suche, vielleicht in eine Spielhölle. Die sie ausschickten, seien
Betrüger, vielleicht sogar Mörder, und wer diesen sauberen Abgesandten
folge, könne leicht auf Nimmerwiedersehen verschwinden; in Amerika seien
derartige Vorkommnisse keine Seltenheit. Wir würdigen also den zudring-
lichen Menschen keines Blickes, wenden unsere Aufmerksamkeit vielmehr
wieder dem bewegten Leben und Treiben zu, das uns fortwährend
umsummt.
Auf einem großen Dampfer setzen wir uusere Fahrt stromabwärts
sort. Die kurze Strecke von 190 englischen Meilen, die bis Kairo zunächst
vor uns liegt, bringt den Reisenden in größere Gefahr, als die ganze
Oceansahrt; im Jahre 1852 allein sind 36 Dampfschiffe auf ihr versunken,
wobei die in die Luft geflogenen nicht einmal mitgezählt wurden. Einzelne
besonders gefürchtete Stellen sind mit schaurigen Namen belegt worden,
die schon genügend andeuten, was der Schiffer hier zu erwarten hat.
So heißt eine von ihnen der Schiffskirchhof, und diese Bezeichnung ist
vollauf gerechtfertigt, denn viele Leichen jämmerlich Umgekommener ruhen
drunten im Schlamm des Mississippi. Aber ihr Unglück wird schnell
vergessen, denn der Zuzug an Menschen ist so stark, daß die entstandene
Lücke schnell wieder ausgefüllt wird.
Am auffallendsten ist es uns immer wieder, daß Amerikaner, die
den „Vater der Ströme" zum ersten Mal befahren, seine ekelhaste Flut
mit förmlicher Leidenschaft als etwas besonders Heilsames trinken; sie
würden es wahrscheinlich als eine Art Beleidigung des Stromes ansehen,
wenn man das ekelhafte Naß vorher filtrieren wollte. Große Achtsamkeit
von seiten der Schiffsmannschaft erfordern auch jetzt wieder die schwimmen-
den und verankerten Baumstämme, die dem Fahrzeug beständig den
Untergang zu bringen drohen. Die Reise auf dem mächtigen Gewässer
hat etwas ungemein Großartiges und Erhabenes. Die Wellen strudeln
und ranschen; von der keuchenden Maschine und der Gewalt der Strömung
getrieben, fliegt das Schiff über die breite Wasserfläche. Auf den
hügeligen Ufern erhebt sich Wald, sind zahlreiche Ortschaften mit ihren
gelben Maisfeldern sichtbar. Hochragende Felsenmassen blicken durch die
Bäume; manche dieser Sandsteinbildungen haben durch Auswaschung ganz
sonderbare Formen angenommen und werden auch danach benannt. So
heißen zwei von ihnen „des Teufels Theetisch" und „des Teufels Back-
ofen" — Benennungen, welche die alten Hinterwäldler erfanden, als sie
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
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— 227 —
von stattlichen Gebäuden, von Kolonnaden und Arkaden umrahmt und
regelmäßig gepflastert; ähnliche Plätze finden sich in größerer Anzahl. Wir
begreifen den Stolz des Mexikaners auf die schöne Stadt, die kaum
irgendwo ihresgleichen hat, obwohl es auch an mancherlei empfindlichen Übel-
ständen nicht fehlt. So ist das Straßenpflaster z. B. ziemlich schlecht;
die mit Steinplatten bedeckten Kanäle vermögen bei schweren Regengüssen
die Wassermassen nicht zu fassen und treten über, bei heißem und trocknem
Wetter dagegen entwickeln sie üble Gerüche. Die Straßen, die von offenen
Rinnen, statt von Kanälen durchzogen werden, find natürlich in beiden
Beziehungen noch übler daran. Die Häuser sind auffallend niedrig, denn
häufige Erdbeben haben die Bewohner vorsichtig gemacht. Die Gebäude
tragen flache Dächer und umschließen, im Viereck gebaut, offene Höfe.
Balkone zieren sie an der Straßenseite, und hierhinwärts liegen auch die
besten Zimmer. An Zieraten ist die Front arm, und der wenige Schmnck
daran zeichnet sich durch Geschmacklosigkeit aus. Grell ist der Anstrich;
rote, gelbe, grüne und blaue Farbentöne wechseln mit einander ab. Vor
den in Nischen und Schreinen aufgestellten Heiligenbildern brennen be-
ständig Wachskerzen oder Lampen. In den unteren Stockwerken befinden
sich gewöhnlich Kaufläden, Schreibstuben, Werkstätten n. f. w.; sie erhalten
ihr Licht durch die offenstehenden Thüren. Die Vorstädte haben enge
Straßen, entbehren fast sämtlich des Pflasters und starren von Schmutz
und Unrat. An den ans Lehm erbauten ärmlichen Häusern dieser Gegenden
fehlt der Bewurf oft. Zerlumpte, wild aussehende Leute hausen in diesen
von üblen Dünsten erfüllten Höhlen. Die stattlichste unter den vielen
Kirchen ist die großartige Kathedrale; auch mehrere Klöster, zum Teil
außerordentlich umfangreich, sowie einzelne öffentliche Gebäude fesseln unsere
Aufmerksamkeit. Vom frühen Morgen bis in die tiefe Nacht herrscht unter
den Säulengängen reges Leben. Zahlreiche Kaufläden, Speise-, Wein-
und Kaffeehäuser befinden sich hier; die verschiedenfarbigen Kleinkrämer
bieten unter diesen Hallen Galanteriewaren, Wachsfiguren, Bücher und
zahllose andere Gegenstände seil. Zeituugsverkäuser snchen durch lautes
Geschrei Abnehmer anzulocken, und Taschendiebe gehen ihrem unsauberen
Gewerbe nach. Unablässig strömen die Menschen durch die Thüren der
Ersrischungslokale aus und ein, während zerlumpte Bettler an den Säulen
lehnen und die Vorüberkommenden anbetteln oder bestehlen. Auch auf
der Alameda, einem herrlichen Spaziergang mit schattigen Alleen und lustigen
Springbrunnen, bewegt sich den ganzen Tag hindurch eine lebhaste Menge.
Ihr Trinkwasser erhält die schöne Stadt durch zwei großartige Wasser-
leituugeu. Der Handel ist infolge der ewigen Unruhen fehr herabgekommen.
Die nicht unbedeutende Industrie liefert zahlreiche Gold- und Silberwaren,
ferner solche aus Eisen, Kupfer und Zinn, fowie Seiden-, Baumwoll-,
Leder- und Töpferwaren.
Großartig schön ist der Rundblick von einem der Kathedraltürme.
Staunend schauen wir auf das Gewimmel der fahrenden, reitenden, gehen-
den und laufenden Menschen in den weithin ziehenden Straßen und auf
15*
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
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— 281 —
zu. In dicken Wolken stürzen die Moskitos auf uns; der landeskundige
Händler wirft, um das entsetzliche Ungeziefer zu verscheuchen, wiederholt
kleinere Mengen eines feuchten Krautes auf die Kohlen, die in einem
Blechtopfe glühen. Ein abscheulich riechender Qualm entwickelt sich, aber
er hilft fast nichts. In stumpfer Ergebuug finden wir uns in unser
Schicksal, von den Blutsaugern aufs grauenhafteste zerstochen zu werden;
doch zuweilen preßt die ausgestandene Pein dem einen oder anderen ein
tiefes Seufzen, ein dumpfes Murren aus. Um Mitternacht verschwinden
die Moskitos, abgelöst von den nicht weniger schrecklichen Titinoriqnis,
denen in der Morgendämmerung mit abscheulicher Pünktlichkeit die Tempra-
nitos folgen.
Eine wunderbare Nacht ist's, die wir durchleben. Still sind die
Indianer am Ufer, weiter zurück haben sie sich um große Feuer gelagert,
deren Flammenschein den schleichenden Jaguar schreckt. Hier, in größerer
Entfernung vom Strome, quälen die Titinoriqnis und Tempranitos weniger.
Schnaubend rudern Züge vou Süßwasserdelphiuen stromauf; da und dort
tönt das schauerliche Brüllen des hungrigen Kaimans. Sonst ist's still,
seltsam still im Wald und auf dem Strome. Nur gegen Mitternacht weckt
uns jener Anfrnhr, ohne den es nun einmal nicht abzugehen scheint, dessen
Ursache wir aber niemals ergründen können. Endlich schweigt das dnmpfe
Murren der Nachtaffen; ans dem Urwalde hallt der weitklingende Metall-
ton des Glockeuvogels; droben, in den höchsten Gipfeln der Piritn- und
Königspalmen, fangen die lebhaft bnnten Aras ihr Gekreisch wieder an;
die Papageien schwirren lebhast schwatzend in großen Zügen umher, die
kleinen, allerliebsten Sagonins pfeifen im Geäst. Rasch erhebt sich die
Sonne über den Horizont; ohne vorausgehende Dämmerung folgt der
Tag der Nacht. Ganze Züge von Peccaris und Tayassus kommen an den
Strom; sie traben die Sansohecke entlang, bis ihnen eine jener Lücken,
die von den Indianern mit dem Namen „Waldthor" bezeichnet werden,
den Zugang zum Wasser gestattet. Ängstlich spähen die Tiere über die
Flut; durch Erfahrung gewitzigt, wissen sie, daß ihnen hier beständig Ge-
fahr von dem furchtbaren Kaiman, der behenden Anaconda droht. Alles
erscheint ihnen sicher, und nun erst stürzeu sie zum Bad in die murmelnden
Wasser. Wir siud längst erwacht, kühlen uns die jämmerlich zerstochenen
und geschwollenen Wangen und Hände mit dem klaren Naß und essen
etwas gedörrte Cassava, wozn ein Schluck Rum genommen wird. Der
Rest Wildfleisch von gestern ist über Nacht für Menschen ungenießbar ge-
worden; er wird dem Hnnde hingeworfen. Und nun beginnt des Händlers
Tagewerk wieder.
Der Mann hat schon 3 Jahre im Fieberland Guayana ausgehalten und
kann viel von Land und Lenten erzählen, von den wilden Jndianerstämmen,
die noch unabhängig in der Wildnis leben, verschiedene Sprachen reden, aber
in ihrem Äußeren und in ihren Sitten viel Ähnlichkeit zeigen.
„Viele von ihnen sehen gar nicht aus wie Gottes Ebenbild," sagt
der lebhafte Mann, behaglich ans seiner kurzen Pfeife rauchend, beim
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer]]
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
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— 251 —
Stämmen breite, schattenreiche Kronen. So bietet der entzückende Thal-
grund alles, was der Mensch begehren kann. Weiter dringen wir und
gelangen zu einer Stelle, an der unseres Wirtes ältester Sohn mit drei
braunen Männern beschäftigt ist, sich ein eigenes Heim zu bauen. Schwer
ist die Arbeit, denn das harte Holz der Bäume widersteht dem scharfen
Eisen, und erst nach vielen wuchtigen Streichen neigt sich solcher Riese,
alles im Sturze niederschmetternd. Eine ziemlich große Lichtung ist bereits
geschlagen, aber noch ist kein Haus gebaut, ist der Boden nicht gerodet.
Die fleißigen Männer haben sich einstweilen ein Schutzdach aus Palm-
blättern errichtet, worunter die Herdslamme prasselt und unter dem die
rührigen Arbeiter nach anstrengender Thätigkeit Rast halten. Zwischen
den Pfählen spannt man dem Fremdling die mitgebrachte Hängematte
aus, damit er dariu Nachtruhe halte. Auf der trocknen, harten Rindshaut
schlafen die braunen Leute, die deutschen Männer, in ihre wollenen Co-
bijas gewickelt, auf Schaffelleu. Vor der Nachtruhe sind die Kalebassen
am Bache mit ganz srischem Wasser gefüllt und in die Ecke gestellt worden,
in der sie am schattigsten stehen; überdies hat man sie vorsichtig mit
breiten Pisangblättern zugedeckt, um das labende Naß möglichst frisch zu
erhalten. Trinknäpfe, Schüssel und Löffel sind aus gespaltenen Totuma-
schalen hergestellt und in Lianen und Geflechten aus düuuen Stäben
untergebracht. Die aus Reis, Mais, Salz, Kakao, Branntwein ?c. be-
stehenden Lebensmittel sind vorsichtig in Lederschläuchen, Säcken, Korbge-
flechten und Lederkisten geborgen. Die lederharte schwärzliche Carne seca
(lufttrocknes Fleisch) hängt in langen, dünnen Streifen über Stangen und
Latten. Unter dem First ist ein Holzhaken angebracht, woran außer dem
gesalzenen Speck einige Flaschen mit ausgelassenem Schmalz und Palmöl,
etliche iu Blätter eingewickelte Päckchen Rohrzucker, eiu frisch erlegtes und
bereits gerupftes Waldhuhn hängen. In einer Astgabel lehnt die schützende
Feuerwaffe; Schloß und Mündung sind durch Umwickeluug mit wollenen
Lappen gegen den schweren Nachttau geschützt; daueben hängt, zu sosor-
tiger Benutzung bereit, die kleine Munitionstasche aus buntgeflecktem Tiger-
katzenfell. Vor dem Schuppen ruht der flache Quetsch- und Mahlstein
auf einem Holzgestell. Drei zusammengeschobene Steine bilden den Herd;
aus ihnen steht die Olla, ein großer, rundbauchiger Kochtopf aus gebrann-
tem Thon. Der leichte, feine Rauch, der darum her kräuselt, beweist,
daß die sorgsam verscharrte Glut unter der Asche fortglimmt.
Allmählich verklingen die Stimmen des Tages und Abends, still
sinkt die geheimnisvolle Tropennacht hernieder, lautlos ruht das Getier
im dichten Wald- oder Rohrversteck. In wunderbarem Glänze leuchten
die Sterne vom tiefdunkeln Himmel hernieder; es ist uus beim Aufblick
zu der Riesenkuppel, als schauten wir in die Geheimnisse der Ewigkeit
hinein. Tiefer Frieden, träumerische Stille, unaussprechliche Anmut, ver-
eiut mit ernster Majestät verbinden sich in solcher wunderbaren Tropennacht
zu unbeschreiblicher Herrlichkeit. Der Bach murmelt und rauscht geheim-
nisvoll; der leiseste Ton klingt merkwürdig auffallend durch die tiefe Ruhe
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T168: [Holz Tisch Messer Stück Honig Stuhl Griffel Hand Narbe Papier], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Inhalt: Zeit: Geographie
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mals blicken sie begehrlich über diesen Raum hinaus, niemals lassen sie
sich durch eiu Verlangen nach etwas Höherem zu größerer und lebhafterer
Lebensregung anspornen. Ihre Herzen werden nicht von zarterer Liebe
zu den in ihrer Jugend oft sehr anmutigen Frauen gerührt; sie plagen
die beklagenswerten Geschöpfe im Gegenteil mit deu härtesten Arbeiten,
so daß ihre Frische und Schönheit in wenigen Jahren vollständig ver-
weht. Düster, wie von trübem Sinnen gebannt, hockt der Eingeborue auf
der Matte in seiner Hütte, unbeweglich starrt er ius Halbduukel des
Raums; ruhig kann man ihm das wichtigste Geheimnis anvertrauen, es
ist in seiner Brnst begraben, denn ihn bewegt nicht das Verlangen zu an-
regendem Geplauder mit seinesgleichen. Nah sind, wie schon erwähnt,
alle Stämme verwandt; gerade diese seltsame Abgeschlossenheit, dieses wort-
karge Zurückziehen in sich selbst jedoch ist vorwiegend Ursache, daß sie sich
feindselig, mindestens aber völlig fremd gegenüberstehen. Auch diese Indianer
verstehen die schwere Kunst ihrer uordamerikanischeu Brüder, sich in bilder-
reicher Rede auszudrücken, vorzüglich; aber sie üben sie nur, wenn ihre
Sinne bei lärmenden Festlichkeiten durch berauschende Getränke in sieber-
hafte Erregung versetzt worden sind. Daun kommt ihr leidenschaftliches
Blut in wilde Wallung und sprengt die starre, stumpfsinnige Unbeweglich-
keit des Geistes; die ganze Horde überläßt sich in tollem Taumel der
bachautischeu Lust. Der ernste, schweigende Urwald tönt wieder vom
Brüllen und Johleu der Tauzeuden, bis alle, vom schweren Rausch über-
mauut, iu unruhigen Schlaf verfallen. Wenn der neue Tag heraufsteigt,
ist die ganze, kaum noch so erregte und lante Gesellschaft wieder in ihren
tiefen, starren Trübsinn versallen.
Fast alle Eingeborenen Brasiliens verschaffen sich ihren Lebensuuter-
halt ziemlich ausschließlich durch Jagd und Fischfang. Einzelne bauen wohl
auch Gewächse, doch stets in nicht ausreichendem Umfange. Durch ein
kleines Feld, bepflanzt mit Mais oder Manioc. könnten sich diese verwöhnten
Kinder der Tropen vor allem Mangel schützen; aber sie sind zu träge,
sich die kleine Mühe des Anbaues aufzuerlegen und geraten deswegen bei
jeder Überschwemmung in die bitterste Not. Für gewöhnlich ist ja aller-
dings köstliche Speise in Überfülle vorhanden, namentlich bieten die Ge-
Wässer in ihrem Gewimmel von wohlschmeckenden Fischen reichliche Nahrung.
Ost fängt man die geschuppten Wasserbewohner ohne alle Kunst, häufig
erlegt man sie auch mit dem Pfeile. Am Ufer versteckt, oder auch mit
erstaunlicher Sicherheit ans starken, über die Flüsse gespannten Pflanzen-
tauen stehend, erlegt der Indianer die Fische mit bewunderungswürdiger
Gewandheit. Doch auch auf bequemere Art verschaffen sich die farbigen
Fischer massenhafte Bente: sie vergiften das Wasser der fischreichen Lagunen
mit dem Safte der B a rba c o szweige, die zunächst zerklopft, dann im Kahn
über dem Wasfer ausgerungen werden. Zappelnd erscheinen erst kleinere,
dann größere Fische an der Oberfläche ; mit verzweifelten Sprüngen mühen
sie sich, aus der todbringenden Flut zu entkommen; aber nach kurzer Zeit
bleiben sie betänbt auf dem Wasserspiegel liegen. Nun rudern die Indianer
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der auffällige Schein; plötzlich taucht der alte liebe Mond dort hinter den
Bergen empor, alles mit seinem sanften Lichte verklärend. Der liebliche
Schimmer des Zodiakallichtes erbleicht vor dem helleren Lichte, die tiefe,
heilige Stille, die ringsum waltet, scheint noch tiefer zu werden. Die
Waldbänme unten in den Schluchten rauschen seltsam als wollten sie
einander „Gute Nacht!" sageu. Ein leises Frösteln, jedenfalls eine Folge
unserer lebhaften Erregung inmitten dieser majestätischen Nachteinsamkeit,
überläuft uns; langsam wenden wir uns dem fast erloschenen Fene.r zu,
um die Ruhe gleichfalls zu suchen.
Aber bevor wir eingeschlummert sind, wird auch der Schlaf der
Übrigen durch das laute, heisere und hartnäckige Kläffen eines Codilleren-
fnchses unterbrochen, der augenscheinlich neben uns in den Felsen umher-
streift. Das Tier mag die Eindringlinge gewittert haben; es zieht sich
langsam, ganz langsam rückwärts, aber noch aus weiter Ferne tönt sein
ärgerliches heiseres Bellen herüber. Während die über solche Störung
unwilligen Männer sich murrend zum Weiterschlafeu anschicken, leuchtet der
Himmel plötzlich seltsam auf, ganz ähnlich wie beim sogenannten Wetter-
leuchten, nur ist hier der Schein dunkler, auch hält er länger an. Wir
fahren erstaunt empor und fragen Sennor Osorio, was das sein möge.
Er antwortet schläfrig, es habe ein Vulkan geleuchtet, was in der Cor-
dillera alta häufig vorkomme. Dann wickelt er sich langsam in seine
Felle, und gleich daraus bekunden seine tiesen Atemzüge, daß er wieder
entschlummert ist. Wir selbst schlafen mit dem Gedanken ein, der rätsel-
hafte Schein fei jedenfalls durch einen schwachen Ausbruch eiues feuer-
speienden Berges hervorgebracht worden, indem die ausgeworfenen glühen-
den Massen einen lebhaften und anhaltenden Lichtschein um sich ver-
breiten, wie man solchen bei drohenden Ausbrüchen des Vesuvs häufig
bemerkt hat.
Am nächsten Morgen springen wir gesund und srisch vom einfachen
Lager empor, waschen uns im klaren Wasser des Baches, genießen die uuver-
meidliche Charquisuppe und setzen unsere Reise rüstig fort. Nachdem die
Felsen überschritten sind, die unseren Ruheplatz uach dem Kamme des Ge-
birges hin begrenzen, biegen die vorausreitenden Peonen in eine tiefein-
gerissene Schlucht ein, aus deren schroffen Wänden der Himmel aufzuliegen
scheint. Jetzt sind wir hindurch und gelangen auf eine ziemlich ausgedehnte
Hochfläche, über die im Galopp hinweggejagt wird. Endlich stoßen wir
auf einen Fluß, der brausend und tobend aus einer Schlucht hervorbricht.
Unmittelbar vor derselben bildet die schäumende Flut einen prächtigen Wasser-
fall. Die Felsen, über die der Fluß hinabstürzt, sind in Form einer natür-
lichen Treppe aufeinander gelagert; in hohen Bogen schießen die zornig
dahertosenden Wassermassen darüber hinweg. Dieses Naturwunder gewährt
einen überaus großartigen, prächtigen Anblick.
Jetzt beginnt wieder eine von den landesüblichen Kletterkünsten; die
Peonen klimmen nämlich unmittelbar an der Seite des Falles empor, wobei
ihre Pferde fortwährend in Gefahr schweben, sich rücklings zu überstürzen.
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Totenstarre erhalten, von dem das Herz des Menschen so furchterregend
getroffen wird. Andererseits ist sicher gerade dieses majestätische Einerlei
die Ursache jenes Gefühles der Ehrfurcht und der Bewuuderung, der Ohn-
macht und der Unbedeutendheit, das die Cordilleren in jedem Beschauer
hervorrufen. Auch die ewigen Schneefelder fallen durch ihreu riesigen
Umfang auf und erregen unsere Verwunderung ganz besonders noch da-
durch, daß sie fast horizontal liegen; neben ihrem einförmigen Weiß treten
nur gelbliche, braune oder graue Farbeutöue auf; zertrümmerte Porphyr-
massen leuchten da und dort hochrot dazwischen hervor. Von der größeren
Entfernung werden diese Farben bläulich angehaucht, allein auch dieses
Blau ist eiu anderes als das unserer bewaldeten deutschen Gebirge.
In dieser wilden, rauhen Bergnatur vermochte sich keine menschliche
Kultur zu entwickeln, denn die Armut des Gebirges an nutzbaren Pflanzen
und Tieren mußte die anwohnenden Völkerschaften von jedem Versuche
zur Ausiedeluug iu den unwirtbaren Einöden zurückschrecken. Vielleicht
äudern sich diese Verhältnisse im Laufe der Jahrtausende durch die lang-
same aber stetige Einwirkung der Natur iu günstiger Weise um, denn
bereits zeigen sich allerorten in wild zerstreuten Felsentrümmern und ver-
witterten Steinmassen Spuren jener Thätigkeit, durch die unfruchtbares
Gestein ganz allmählich in fruchtbare Dammerde verwandelt wird. Jetzt
aber studen sich in den wenigen breiten Thälern nur ganz vereinzelte
Spuren menschlichen Daseins, denn Weideplätze enthält das Gebirge nur
an wenigen Stellen, anbaufähige Strecken noch seltener; die ungestümen
Flüsse reißen die gebildete fruchtbare Ackerkrume bei der nächsten Über-
schwemmung wieder mit hinweg; die Bergrutsche, von denen auch dem
einsamen Wanderer Gefahr droht, verschütten die mit spärlichem Graswuchs
oder mit armseligem Strauchwerk bedeckten Plätze jählings wieder. Die
ausfallend milde Temperatur der Thäler vermag daher keine günstige
Wirkung auszuüben, denn die heißen Strahlen der Sonne treffen nur
nackten Fels, von dem das Wasser rasch wieder abläuft, oder Massen von
Geröll, zwischen dem das belebende Element spurlos versickert. Wo aber
Wasser und Dammerde fehlen, da kann selbst die gütigste Sonne keine
Vegetation hervorzaubern, zumal der wilde Charakter der Andenflüsse, die
in ungebändigter Hast nach Westen zum Meere durchbrechen, einer ruhigen
Entwicklung des Pflanzenlebens durchaus hinderlich ist. Ohne Zweifel
birgt der Schoß der Anden kostbare mineralische Schätze, namentlich reiche
Silberlager, wennschon die Ansichten über ihre Größe und Bedeutung,
wie sie unter den Eingeborenen int Gange sind, als bloße Vermutuugeu
zu betrachten sind. Allein selbst der Ausbeutung dieses Naturreichtums
stellen sich in manchen Gegenden große Hindernisse entgegen; die Silber-
bergwerke liegen nämlich fast sämtlich in einer Höhe, wo der strenge Hoch-
gebirgswinter ein halbes Jahr dauert und starre Felsenmassen dem fleißigen
chilenischen Bergmanne fast uuüberwiudliche Schwierigkeiten bereiten. Dazu
kommt noch, daß die im warmen Küstenlande geborenen Arbeiter unter
der Unguust des Klimas schwer leiden und daß die Unwegsamkeit des
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